Wie wird der Begriff definiert?
Wer muss die Voraussetzungen beweisen / widerlegen, trägt also die prozessuale Beweislast?

 Alle Antworten finden Sie hier:

Der aktuelle Bund-Länder-Beschluss vom 5.1.2021 sieht bei Inzidenz 200 eine Einschränkung des Bewegungsradius auf 15 km um den Wohnort vor, sofern kein triftiger Grund vorliegt.
https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1834306/75346aa9bba1050fec8025b18a4bb1a3/2021-01-05-beschluss-mpk-data.pdf?download=1
Aktuell stricken Bundesländer und örtliche Behörden an der Umsetzung der Bund-Länder-Beschlüsse vom 5.1., es ist also auch damit zu rechnen, dass es regionale und örtlich unterschiedliche Regelungen geben wird.

NRW ist noch unentschlossen.

 Was aber ist grundsätzlich so ein „triftiger Grund“?

Wichtig vorab: Verfahrensrechtlich liegt die Darlegungs- und Beweislast bei dem, der sich darauf beruft!
In einem verwaltungsrechtlichen oder Bußgeldverfahren muss der Betroffene sich also entlasten können.

Eine genaue Definition des triftigen Grundes ist schwierig und wird ggfls. bei Gericht auch sehr streitig werden.
Der Duden führt zu triftig aus: „Sehr überzeugend, einleuchtend, schwerwiegend; zwingend, stichhaltig

Explizit kein triftiger Grund sind nach dem Beschluss und offenbar unter Anspielung auf das Winterberg-Chaos tagestouristische Ausflüge.

Da es sich um eine Schutzmaßnahme nach § 28 IfSG handelt, muss sich der triftige Grund aber in jedem Fall an Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit messen lassen.

Das bedeutet, dass bei der Auslegung des Begriffes auch andere Rechte der Betroffenen zu berücksichtigen sind, z. B. berufliche Anforderungen, Versorgung, medizinische Notwendigkeiten, kollidierende Pflichten.

„Triftige Gründe“ können demnach beispielhaft sein:

  • Ausübung beruflicher Tätigkeiten
  • Arztbesuche
  • Besuch von Kita / Schule / Uni
  • Teilnahme an einer -zugelassenen- Veranstaltung oder einem Gottesdienst
  • Behördengang zu einer weiter entfernten Behörde
  • Besuch Alter, Kranker oder Menschen mit Einschränkungen
  • Teilnahme an einer Prüfung an weiter entferntem Prüfungsort
  • Blutspende und Fahrt zum Blutspendedienst
  • Fahrt mit Auto zur Hauptuntersuchung (DEKRA, TÜV usw.)
  • Inanspruchnahme medizinischer, pflegerischer und veterinärmedizinischer Versorgungsleistungen
  • Besuch bei Ehegatten, Lebenspartnern, Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
  • Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts
  • Begleitung Sterbender sowie Teilnahme an Beerdigungen im engsten Familien- und Freundeskreis
  • Sport und Bewegung an der frischen Luft
  • Versorgung von Tieren

Kontrolle und Überwachung sind sicherlich aus tatsächlichen Gründen ebenfalls schwierig.

Aber: Die Nachweispflicht liegt grundsätzlich bei dem vermeintlich „Übertretenden“, da mit Feststellung außerhalb des 15-km-Radius prozessual zumindest der Anfangsverdacht eines Verstoßes feststeht!

Der den Radius Verlassende muss den triftigen also nennen und im Zweifel auch beweisen.

 Verstöße können nach dem Infektionsschutzgesetz theoretisch mit bis zu 25.000 EUR geahndet werden (§ 73 Abs. 2 IfSG), realistisch sind Geldbußen zwischen 50 und 500 EUR.

Über Einsprüche entscheidet das für den Ort des jeweiligen Verstoßes zuständige Amtsgericht im Bußgeldverfahren.

Räumlich sieht der Beschluss übrigens einen Radius um den eigenen Wohnort vor.
Gemeint soll damit die Gemeindegrenze sein, also nicht die eigene Wohnanschrift.
Man darf sich daher auch ohne triftigen Grund innerhalb der eigenen Gemeinde plus 15km um das Gemeindegebiet bewegen.

RA Kempgens, Stand 10.1.2021