Newsletter: Rechtsfragen zu Impfangeboten für Kinder ab 12 Jahren
Was passiert, wenn (z. B.: getrennt lebende) Eltern sich nicht einigen können oder Eltern und Kinder uneinig sind?
Wer entscheidet über Ja oder Nein der Impfung?
Grundsätzlich steht den Eltern die elterliche Sorge zu (§ 1626 BGB), wozu auch die Personensorge gehört (§ 1631 BGB). Zur Personensorge gehört auch die Frage der körperlichen Gesundheitspflege, also die Entscheidung über eine Impfung („Ja oder Nein“).
Unter 18-jährige sind nach dem Gesetz minderjährig (§ 2 BGB) und daher (ab 7 Jahren) beschränkt geschäftsfähig (§ 106, 107 BGB).
Aber: Bei der Einwilligung in eine medizinische Behandlung -wie auch Impfung- handelt es nicht um eine rechtsgeschäftliche Handlung, sondern um die Gestattung einer tatsächlichen Handlung, bei der es dann nicht auf Zustimmung der Eltern ankommen soll, wenn im Einzelfall die hinreichende Einsichtsfähigkeit der Minderjährigen positiv festgestellt werden kann (OLG Hamm, Beschluss vom 29.11.2019 – 12 UF 236/19 zum Fall eines streitigen Schwangerschaftsabbruchs).
Es gibt also keine starre Altersgrenze, sondern es kommt auf die Einsichtsfähigkeit an.
Dabei kommt es übrigens nicht auf die Frage an, ob die Entscheidung „richtig oder falsch“ ist, sondern es kommt auf die Frage, ob die Kinder konkret die Einsichtsfähigkeit in Bedeutung und Tragweite ihrer Entscheidung haben.
Die Rechtsprechung zieht dazu allerdings in aller Regel eine Grenze bei 14 Jahren. Unter diesem Alter werden Minderjährige nur in Ausnahmefällen bereits als im obigen Sinne einwilligungsfähig eingestuft. Volle „Impfmündigkeit“ soll dabei zumindest ab einem Alter von 16 Jahren bestehen.
Im Klartext:
Unter 14 Jahren entscheiden die Eltern.
Über 14 Jahren kommt eine Entscheidung der Kinder in Betracht (wenn sie einsichtsfähig sind, also „wissen, was sie tun“), ab 16 Jahren entscheiden in aller Regel die Kinder.
Gibt es zwischen Kindern und Eltern (oder auch zwischen den Eltern selbst) unterschiedliche Sichtweisen, entscheidet auf Antrag das Familiengericht, wenn Kindeswohlgefährdung droht (§ 1666 BGB).
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem aktuellen Fall zu dieser Fragestellung übrigens entschieden, dass bei Uneinigkeit der Eltern über eine Schutzimpfungen des Kindes die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den der STIKO-zustimmenden Elternteil in Betracht kommt (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.03.2021, Az. 6 UF 3/21: https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de/pressemitteilungen/Sorgerecht_Impfentscheidung).
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RA Kempgens, Stand 9.8.2021