Wer muss wann was machen? Was gilt auf öffentlichen Straßen?
Die wichtigsten Grundsätze, die aktuellsten Urteile:
Achtung: Bei Verletzung der Schnee- und Räumpflichten drohen neben Haftung sogar strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung.
Was gilt auf öffentlichen Straßen?
Städten und Gemeinden obliegt auf öffentlichen Straßen die Pflicht, innerhalb geschlossener Ortschaften bei Schnee- und Eisglätte Räum- und Streumaßnahmen durchzuführen.
Inhalt und Umfang der Räum- und Streupflicht richten sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach Gefährlichkeit und Stärke des zu erwartenden Verkehrs (BGH, VersR 1991, S. 665)
Gefahren müssen -soweit möglich- durch Schneeräumen und Abstreuen mit abstumpfenden Mitteln beseitigt werden (BGH, VersR 1985, S. 568).
Die Streu- und Räumpflicht beginnt mit allgemeiner Glättebildung und nicht schon bei nur vereinzelten Glättestellen (BGH, NJW 2009, S. 3302).
Wenn die o. g. Situation dann eintritt, müssen Behörden nach Rangfolge (Verkehrswichtigkeit) vorgehen:
Zunächst müssen verkehrswichtige und gefährliche Stellen gesichert werden (z. B. verkehrsreiche Durchgangsstraßen, vielbefahrene innerörtliche Hauptverkehrsstraßen).
Danach weniger bedeutende Straßen- und Wegestrecken.
Auf wenig befahrenen Straßen besteht grundsätzlich keine Räum- und Streupflicht, sofern nicht besonders gefährliche Stellen bekannt sind, auf die sich der Straßennutzer nicht einstellen kann (OLG Hamm, Urteil vom 18.11.2016 – 11 U 17/16; OLG München, OLGR 2005, S. 754; OLG Braunschweig, NZV 2006, S. 586).
Was gilt auf dem Bürgersteig?
In allen Gemeinden werden Schnee- und Räumpflichten städtische Reinigungssatzungen auf Anwohner übertragen.
Verpflichtet sind die Eigentümer der anliegenden Grundstücke, die wiederum Pflichten auf Mieter übertragen dürfen.
Aber: Ältere Mieter sind u. U. nicht dazu verpflichtet, wenn Sie körperlich dazu gar nicht in der Lage sind (AG Hamburg-Altona, Urteil 318 AC 146/06; AG Viersen, Urteil 34 C 82/13).
Was muss gemacht werden?
Was Anwohner / Mieter machen müssen, regelt die örtliche Reinigungssatzung.
Meist müssen sie zwischen 07:00 oder 08:00 Uhr und 20:00 Uhr für sichere Bürgersteige sorgen, an Sonn- und Feiertagen meist erst ab 09.00 Uhr.
Die Räumbreite beträgt 1,50m, zusätzlich müssen sie abstumpfendes Material streuen.
Die konkrete Streupflicht setzt aber erst nach Beendigung des jeweiligen Schneefalls ein, also nicht schon während es noch schneit.
Wer haftet bei einem Sturz?
Zivilrechtlich haftet der Verpflichtete bei Verletzungen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld (Verletzung der Verkehrssicherungspflicht § 823 BGB).
Zieht sich ein Stürzender z. B. einen Armbruch zu, sind -allein- Schmerzensgelder zwischen 5.000 und 10.000 EUR üblich, bei kleineren Prellungen zwischen 500 und 1.000 EUR (§ 253 BGB)
Verpflichtete können sich übrigens gegen Zahlungen durch eine Haftpflichtversicherung absichern.
Diese Haftungsgrundsätze gelten auch für Unfälle im öffentlichen Verkehrsraum, wenn Räum- und Streupflichten verletzt werden (dann Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB i. V. m. Art 34 GG)
Polizei und Staatsanwaltschaft leiten Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung ein, wenn die Geschädigten Anzeigen erstatten und Strafanträge stellen (§§ 223, 230, 229 StGB).
Stürzende müssen aber ggfls. vor Gericht nachweisen, warum und wo sie gestürzt bzw. verunfallt sind, daher
Tipps: Fotos anfertigen, Zeugennamen / -anschriften notieren.
Was gilt auf Parkflächen?
Grundsätzlich gelten auf privaten und öffentlichen (z. B. Supermarkt) Parkflächen die gleich Grundsätze (BGH, Urteil vom 02. Juli 2019 – VI ZR 184/18).
Parkflächenbetreiber müssen dafür sorgen, dass zumindest Be- und Entladen möglichst gefahrlos möglich ist.
Im Bereich der markierten Stellflächen zwischen den dort parkenden Fahrzeugen besteht aber keine Streupflicht (BGH, VI ZR 184/18).
Mithaftungseinwand (§ 254 BGB)!
Insgesamt gilt für alle Winter- und Straßenlagen aber immer auch ein Mithaftungseinwand gemäß § 254 BGB und höchste Vorsicht.
Denn: Absolute Sicherheit kann nach der Rechtsprechung des BGH niemand fordern.
Der BGH fordert vielmehr, dass jeder sich bei winterlichen Wetter- und Sichtverhältnisse vorsichtig verhält und auf Glätte vorbereitet ist (BGH, Urteile vom 21.2.18 – VIII ZR 255/16 und vom 2.7.19 – VI ZR 184/18).
RA Kempgens, Stand 7.2.2021
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