Newsletter 02. März 2021
Gehen Polizei und Ordnungsbehörden bei Coronaverstößen zu hart mit den Betroffenen um?
Aktuell gibt es einige Berichte über subjektiv als ungerecht empfundene Polizeieinsätze.
Vor allem 2 Fälle in Essen und Hamburg sorgen für deutschlandweite Diskussionen.
Aber wie ist die Rechtslage, wie weit dürfen Polizei und Ordnungsbehörde gehen?
Darf die Polizei bei „Corona-Verdacht“ eine Privatwohnung bei gegen den Willen des Berechtigten betreten, durchsuchen, Personalien feststellen?
Das Rechtsproblem liegt im Kern in der durch das Grundgesetz geschützten Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG).
Daher muss rechtlich zunächst zwischen -bloßem- Betreten und Durchsuchen unterschieden werden.
Da dies dem Landesrecht unterliegt, finden sich Regelungen in den jeweiligen Polizeigesetzen der Bundeländer, die aber weitestgehend ähnlich sind.
Das Betreten einer Wohnung ist gegen den Willen des Berechtigten (z. B. § 41 PolG NW -Polizeigesetz NRW- oder § 36 des Berliner ASOG -Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz für Berlin-) dann zulässig, wenn
von der Wohnung Immissionen ausgehen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer zu einer erheblichen Belästigung der Nachbarschaft führen
= das sind die typischen nächtlichen Ruhestörungen durch zu laute Partys.
ODER
das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.
= hierunter fallen grundsätzlich auch Corona-Kontrollen!
Wenn also der Verdacht besteht, dass in einer Wohnung eine unzulässige Corona-Party stattfindet, darf die Polizei daher in Einzelfällen bei begründetem konkreten Verdacht unter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Wohnung auch gegen den Willen des Berechtigten betreten und Personalien feststellen.
Wenn das durch die Betroffenen erschwert wird, dürfen Beamte auch Zwangsmittel einsetzen.
Widerstandshandlungen der Betroffenen können sich wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) oder sogar wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gemäß § 114 StGB strafbar machen, Mindeststrafe 3 Monate Haft.
Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung gibt es bei berechtigten Einsätzen nur beschränkt.
Das heißt: Beamte müssen während des Einsatzes nicht Einsatzzweck und Einsatzmittel miteinander abwägen, wenn die Mittel nicht völlig außer Verhältnis stehen.
Vollzugskräfte müssen aber zumindest das geringste Mittel wählen, wenn verschiedene Mittel zu Auswahl stehen (z. B. überspitzt am Beispiel: Erst anklopfen und unmittelbaren Zwang androhen statt sofort ohne Vorwarnung Tür eintreten).
Die Coronaschutzverordnungen bieten übrigens keine eigenen Eingriffsrechte, sondern erweitern nur den Katalog möglicher Verstöße.
RA Kempgens, Stand 2.3.21