RTL-Beitrag vom 9.9.21: https://www.rtl.de/cms/corona-kein-geld-mehr-fuer-ungeimpfte-in-quarantaene-das-sagt-ein-anwalt-4827980.html
Tagesschau-Online-Beitrag vom 9.9.21: https://www.tagesschau.de/regional/nordrheinwestfalen/wdr-story-42691.html
Kanzlei-Newsletter 9.9.2021: Kein Lohn für Nicht-Geimpfte
Die aktuelle Diskussion um Kürzung von Lohnansprüchen in Quarantäne-Fällen von ungeimpften Personen nimmt Fahrt auf.
Alle Landesregierungen diskutieren über den Spahn-Vorschlag.
NRW-Gesundheitsminister Laumann begrüßt die Idee, Baden-Württemberg will sie schon am 15.9. umsetzen.
Ein Überblick über die Rechtslage, ist so etwas arbeitsrechtlich und verfassungsrechtlich vertretbar?
Grundsätzlich erhalten erkrankte Arbeitnehmer:innen 6 Wochen Entgeltfortzahlung (§ 3 EntgFG). Auch wer ohne Erkrankung in Quarantäne muss, bekommt Lohnzahlung als Schadenersatz (§ 56 IfSG).
Bereits jetzt gibt es aber Kürzungsmöglichkeiten, wenn eine Erkrankung als „schuldhaft“ eingestuft werden muss oder eine Quarantäne durch eine allgemein anerkannte Schutzimpfung abgewendet werden kann. Es gibt auch keine Lohnfortzahlung bei bewusster Reise in ein Risikogebiet und anschließender Quarantäne (§ 56 Abs. 1 S. 4 IfSG).
Dieser Regelungen werden allgemein auch als verfassungsgemäß angesehen.
Genau dort knüpft nun der Spahn-Vorschlag an.
Verfassungsrechtlich problematisch ist aber, dass aktuell keine allgemeine Impfpflicht besteht. Politik und Rechtswissenschaftlicher halten das vielfach für verfassungsrechtlich auch nicht vertretbar, u. a. weil zu wenig über mögliche Langzeitnebenwirkungen bekannt sei.
Arbeitsrechtlich problematisch ist, dass der Spahn-Vorschlag zu einer faktischen Benachteiligung ungeimpfter Arbeitnehmer:innen führen würde, obwohl eine Impfpflicht nicht besteht. Der Vorschlag führt aber zu einer „arbeitsrechtlichen Impfpflicht“. Dass dies auf Länderebene umgesetzt werden soll, und so auch unterschiedliche Regelungen auf Länderebene zu erwarten sind (Flickenteppich), macht den Vorschlag noch umstrittener.
Die rechtliche Umsetzung des Spahn-Vorschlags würde nämlich ggfls. auf Länderebene über Landes-Corona-Schutzverordnungen gestützt auf § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG erfolgen.
Im Endeffekt ist daher bei Umsetzung des Vorschlags -und damit verbundenen Lohnkürzungen- mit massenhaften Klagen vor den Arbeitsgerichten zu rechnen. Denn: Viele Arbeitsverträge und Tarifverträge sehen kurze Verwirkungsfristen vor, Arbeitnehmer:innen müssen bei Kürzungen also auch schnell handeln, geraten in Zeitdruck.
Knackpunkt bei Gericht wäre dann die Frage, ob eine -nicht pflichtige- Nichtimpfung als „Verschulden“ der eigenen -vorübergehenden- Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes (wie etwa provozierte Schlägerei) bzw. des Infektionsschutzgesetzes (bewusste ungeimpfte Reise in Risikogebiet darstellen würde.
Weitere Rückfragen gerne über unsere Kanzlei 0209.23831 oder zentrale@kempgens.de
RA Arndt Kempgens, Stand 10.9.2021