Die WAZ-Journalist Andreas Böhme berichtet heute auf der Titelseite der WAZ und im Innenteil „Rhein-Ruhr“ ausführlich über die viele Autofahrer ärgernden „Privatknöllchen“ auf Supermarktparkplätzen.

Den Artikel dazu mit RA Kempgens im Experteninterview lesen Sie auf der Homepage der WAZ unter:  https://www.waz.de/region/rhein-und-ruhr/private-strafzettel-muessen-nicht-immer-bezahlt-werden-id216703235.html

Unsere Kanzlei hat parallel für Sie die aktuelle Rechtslage und einen Musterbrief zusammengestellt:

Info „Parkraumbewirtschaftung / Vertragsstrafenabrede“ (Stand: 03/2019)

Im Zusammenhang mit dem Parken auf Supermarktparkplätzen kommt es häufig zu Unstimmigkeiten mit dem Supermarktbetreiber bzw. mit Parkraumbewirtschaftungsunternehmen.

Die Supermarktbetreiber wollen sich gegen unberechtigte (Dauer-) Parker wehren und lassen Fahrzeuge abschleppen oder über Parkraumbewirtschaftungsunternehmen Vertragsstrafen aussprechen.

Grundsätzlich steht es jedem Parkplatzinhaber zu, den Kreis der Parkberechtigten selbst zu bestimmen. So ist es natürlich auch zulässig, Parkflächen ausdrücklich nur Kunden für die Dauer des Einkaufsvorgangs zur Verfügung zu stellen, also das Parken nur während dieser Zeitspanne zu erlauben. Fahrzeuge von hiergegen verstoßenden Autofahrern dürfen grundsätzlich auch abgeschleppt werden. Wiederholt hat der Bundesgerichtshof bestätigt, dass dem Grundstücksbesitzer dann die hierbei aufgewendeten -erforderlichen- Abschleppkosten als Schadensersatzanspruch durch den Autofahrer erstattet werden müssen (BGH, Urteil vom 11. März 2016 – V ZR 102/15; BGH, Urteil vom 04.07.2015, V ZR 229/13; BGH, Urteil vom 02.12.2011, V ZR 30/11; BGH, Urteil vom 09.06.2009, V ZR 144/08).

Das unberechtigte Abstellen des Fahrzeugs stellt in diesen Fällen nämlich eine verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 Abs. 1 BGB dar, der sich der Grundstücksbesitzer nach § 859 Abs. 1 bzw. Abs. 3 BGB erwehren darf. Der Schadenersatzanspruch folgt dann aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 858 Abs. 1 BGB. Die Kosten dürfen aber nicht ausufern, sondern müssen der Höhe nach angemessen sein (u.a. BGH, Urteil vom 04.07.2014, V ZR 229/13).

In vielen Fällen lassen die Grundstücksbesitzer allerdings nicht abschleppen, sondern fordern über Parkraumbewirtschaftungsunternehmen Vertragsstrafen, wenn beispielsweise eine Parkscheibe oder Kundenausweis nicht ausgelegt werden oder die vom Betreiber vorgegebene Parkhöchstdauer überschritten wird. In diesem Fällen stellen sich insbesondere vier Problemfelder:

  1. Liegt eine wirksame Vertragsstrafenvereinbarung durch vertragliche Einbeziehung vor?
  2. Ist eine Vertragsstrafe zulässig?
  3. Ist der Fahrzeughalter eintrittspflichtig, ist er also für die Forderung der richtige Ansprechpartner / passivlegitimiert?
  4. Muss der Fahrzeughalter den in Betracht kommenden Fahrzeugführer namentlich benennen? Besteht ein Auskunftsanspruch?

 

  1. Vertragliche Einbeziehung

Parkplatzordnungen werden als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gemäß §§ 305 ff. BGB nur Vertragsbestandteil, wenn sie deutlich sichtbar ausgehängt sind und der Autofahrer grundsätzlich die Möglichkeit hat, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Im konkreten Einzelfall stellt sich daher bereits die Frage, ob ein diese Voraussetzungen erfüllender Aushang überhaupt vorhanden war und ob dieser beispielsweise verdeckt, überklebt oder aus anderen Gründen nicht sichtbar war (zum Streitstand s. AG Brandenburg, Urteil vom 26.9.2016, 31 C 70/15).

 

  1. Zulässigkeit einer Vertragsstrafenabrede

Grundsätzlich stellt sich bei jeder Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesondere bei sog. Vertragsstrafenabreden die Frage, ob dies gesetzlich in derartigen Fällen überhaupt zulässig ist. Dies könnte nämlich zum einen den Autofahrer gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Es kommt daneben auch ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 BGB (Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung) in Betracht. Dies ist aber jeweils eine Frage des Einzelfalls und wird von den Gerichten unterschiedlich bewertet (zum Streitstand s. AG Brandenburg, Urteil vom 26.9.2016, 31 C 70/15).

 

  1. Passivlegitimation

Ein Einstell- und Parkvertrag kann allein mit dem tatsächlichen Fahrer durch sozialtypisches Verhalten zustande kommen, indem dieser auf der entsprechenden Parkfläche parkt (z. B. AG Pfaffenhofen, Urteil vom 30.06.2014, 1 C 345/14).

Der Halter -der nicht selbst geparkt hat- darf bestreiten, dass er geparkt hat (AG Pfaffenhofen, 1 C 345/14). Pauschales Bestreiten des Halters kann allerdings –zumindest nach dem Amtsgericht Wiesbaden- eventuell allerdings nicht ausreichen, den Halter treffe vielmehr eine „Recherchepflicht“, den tatsächlichen Fahrer bzw. Parker zu ermitteln (AG Wiesbaden, Urteil vom 12.01.2012, 92 C 4471/11). Komme er dem nicht nach, könne er deswegen einen Prozess wegen unsubstantiiertem Bestreiten ggfls. verlieren (so AG Wiesbaden, 92 C 4471/11).

Grundsätzlich haftet jedenfalls der Halter eines Kraftfahrzeugs nicht für Parkgebühren auf privaten Parkplätzen. Ein Parkplatzbenutzungsvertrag kommt nicht automatisch mit dem Halter zustande, sondern nur mit dem Fahrer.  (AG Bad Hersfeld, Urteil vom 18.11.2011, 10 C 491/11; AG Osterholz-Scharmbeck, Urteil vom 21.07.2011, 4 C 214/11; LG Rostock, Urteil vom 11.04.2008, 1 S 54/07; AG München, Urteil vom 10.02.2010, 432 C 25505/09; AG Weilheim, Urteil vom 04.10.1995, 2 C 483/95; AG Leverkusen, Urteil vom 14.02.1995, 20 C 311/94; AG Brandenburg, Urteil vom 26.9.2016; 31 C 70/15; LG Schweinfurt, Urteil vom 2.2.2018, 33 S 46/17, juris; Urteil LG Arnsberg, Urteil vom 16.1.2019 – 3 S 110/18).

  1. Auskunftsanspruch

Umstritten ist die Frage, ob der der Parkplatzbetreiber einen Auskunftsanspruch gegen den Halter, wer zum Vorfallzeitpunkt sein Fahrzeug geführt hat, sofern der Halter dies überhaupt –noch- weiß. Nein, sagen –wohl richtigerweise- und überwiegend z. B.: AG Osterholz-Scharmbeck und LG Rostock. Der Halter sei grundsätzlich nicht verpflichtet, den Fahrer zu benennen (AG Osterholz-Scharmbeck, Urteil vom 21.07.2011, 4 C 214/11; AG Heidelberg, Urteil vom 16.06.2011, 26 C 64/11; LG Rostock, Urteil vom 11.04.2008, 1 S 54/07; LG Kaiserslautern, Urteil vom 27.10.2015, 1 S 53/15; LG Schweinfurt, Urteil vom 2.2.2018, 33 S 46/17, juris; Urteil LG Arnsberg, Urteil vom 16.1.2019 – 3 S 110/18). Anderer Meinung sind zum Beispiel AG Bad Hersfeld und AG Erlangen. Dortige Urteile halten einen Auskunftsanspruch in Einzelfällen für gegeben (AG Bad Hersfeld, Urteil vom 08.11.2011, 10 C 94/11; AG Erlangen, Urteil vom 03.02.2011, 6 C 1611/10), bzw. lassen den Halter für das „Verschulden“ des -unbekannten- Fahrer haften (so z. B.: AG Brandenburg, Urteil 26.9.2016, 31 C 70/15).

  1. Musterbrief

Wenn Sie als –nicht das Auto abstellender- Halter in Anspruch genommen werden, empfehlen wir folgenden Musterbrief:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Schreiben vom _____ fordern Sie mich auf zur Zahlung eines Geldbetrages von ____ EUR.

Der geltend gemachten Forderung widerspreche ich.

Bereits nach dem dargestellten Sachverhalt ist bereits grundsätzlich fraglich, ob die erwähnte Vertragsstrafe wirksamer Vertragsinhalt gemäß §§ 305ff BGB geworden sein kann.

Ich selbst habe das Fahrzeug zum angegeben Zeitpunkt auf dem von Ihnen beschriebenen Parkplatz nicht abgestellt. Eine Haftung des Halters für derartige Forderungen besteht nicht (z. B.: AG Osterholz-Scharmbeck, Urteil vom 21.07.2011, 4 C 214/11; AG Heidelberg, Urteil vom 16.06.2011, 26 C 64/11; LG Rostock, Urteil vom 11.04.2008, 1 S 54/07; LG Schweinfurt, Urteil vom 2.2.2018, 33 S 46/17, juris; Urteil LG Arnsberg, Urteil vom 16.1.2019 – 3 S 110/18).

Mit freundlichen Grüßen

 

  1. Reaktion Parkflächenbetreiber (BGH-Urteil 18.12.2015 / V ZR 160/14)

Die Parkflächenbetreiber verweisen in Ihrem Antwortschreiben in vielen Fällen auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs VI ZR 160/14 vom 18. Dezember 2015. Sie verweisen hierbei darauf, dass das Urteil höchstrichterlich eine Halterhaftung festschreiben würde.

Diese Interpretation des genannten Urteils ist nach hiesiger Meinung allerdings gänzlich unzutreffend. Dort hatte der Bundesgerichtshof über eine Klage zu entscheiden, die einen Unterlassungsanspruch für die Zukunft zum Gegenstand hatte. Dies bedeutet, dass die vom Bundesgerichtshof zu entscheidende Fallkonstellation komplett anders war, als die hier in Bezug genommenen Fälle „privater Knöllchen“. Es ging nämlich nicht um einen zurückliegenden angeblichen Verstoß gegen Parkbedingungen, sondern um einen Unterlassungsanspruch für die Zukunft. Diese beiden Fallkonstellationen haben miteinander wenig zu tun und sind nach komplett anderen Grundsätzen zu entscheiden.
Arndt Kempgens
Fachanwalt Verkehrsrecht
Fachanwalt Versicherungsrecht