Thema des Live-Talks in der Sendung „hier & heute“ am 22.2. mit RA Kempgens:

Aktuelle Beleidigungen „Grüne Tonne“, Böhmermann-Gedicht, „Stinkefinger“ am Steuer, Anfeidungen in den sozialen Netzwerken.. Wie sind solche Äußerungen strafrechtlich einzuordnen. Was könne Betroffene machen?

Mehr dazu in der Sendung am 22.2. ab 16 Uhr.

Vorab einige Infos unserer Kanzlei zum Thema:

Grünen-Chefin „Grüne Tonne“? Sind solche Äußerungen erlaubt oder strafbar, was ist mit Schmerzensgeld?

Nach § 185 StGB (Beleidigung) macht sich strafbar, wer die Ehre eines anderen dadurch angreift, dass er diesem gegenüber seine Miss- oder Nichtachtung äußert. Keine Beleidigung sind bloße Unhöflichkeiten. Bei öffentlicher Äußerung ist eine Beleidigung übrigens strafbar mit Freiheitsstrafe bis 2 Jahren oder Geldstrafe.

Aber:  Bei Angelegenheiten von öffentlichem Interesse oder im politischen Meinungskampf sind die Grenzen schwimmend und auch deutlich überspitzte Äußerungen können durch Meinungsfreiheit gedeckt sein (BVerfG, Beschluss vom 29.7.2003, 1 BvR 2145/02).

Strafbar oder nicht ist also ein Gratwanderung und erfordert -so das Bundesverfassungsgericht- immer eine Einzelfallabwägung. Es kommt u. a. an auf Inhalt, Umfeld, Adressatenkreis, Intensität usw. So kann beispielsweise in rauhem Umfeld (z. B. Fußballstadion, Arbeitskollegen auf Baustelle) die ruppige Bezeichnung als „Lusche“ oder „Idiot“ straflos sein, in Bank oder Büro die gleiche Äußerung aber strafbar.

Im Fall der „Grünen Tonne“ ist nach hiesiger Rechtsmeinung die Grenze zur Unhöflichkeit allerdings deutlich überschritten. Zudem dürfte die Äußerung auch nicht über die politische Meinungsfreiheit gedeckt sein, da die Bezeichnung „Grüne Tonne“ nicht sach-, sondern allein personenbezogen ist. Es geht in der Äußerung offenbar nicht um politische Inhalte, sondern -negativ- um die Person selbst.

Polizei und Staatsanwaltschaft werden in solchen Fällen auf Antrag (§ 194 StGB) der Betroffenen (§ 77 StGB) tätig.

Außerdem steht Geschädigten ein Schmerzensgeldanspruch gemäß § 823 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu, der sehr erheblich sein kann. Das LG Düsseldorf hatte am 17.4.2019 eine Influencerin nach öffentlichen Beleidigungen („Arschloch, Hurensohn, Schwein, Wichser“ usw.) zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 10.000 EUR verurteilt (LG Düsseldorf, Urteil vom 17.4.2019, 12 O 168/18).

Eine strafrechtliche „Preisliste“  haben wir wie folgt beispielhaft zusammengetragen:

„Dreckspack“, „Arschloch“ 1.000 €
Amtsgericht Mönchen-Gladbach 05.07.2017, 55 Ds 206/16

„Schwuchtel“ 1.500 €
Amtsgericht Frankfurt, 15.01.2021, 907 Cs 7680 Js 229740/19

„Spasti, asoziales wesen.“ 5.500 €
Amtsgericht Aachen, 25.03.2019, 421 Cs-199 Js 331/18-125/18

„Schlampe“ und „Hure“ 450 €
Amtsgericht Hamburg-Barmbek, 13.07.2018, 846 Ds 92/17

„altes Arschloch“ 1.600 €
Amtsgericht München, 06.12.2016, 942 Cs 412 Js 230288/15

Bezeichnung „ekelhaft“  ggü. Politikers – 3.000 €
Amtsgericht Brühl, 24.08.2019, 50 DS 229/19, 50 Ds- 121 Js 882/15- 229/16

„Du Mädchen“ ggü. Polizistin 200 €
Amtsgericht Düsseldorf, 25.06.2015, 122 Cs  – 40 Js 6983-/14-588/14

„Affe, verpiss dich. du stammt vom Affen abstammt“, 1.500 €
Amtsgericht München, 19.05.2015, 844 Cs 111 Js 132270/15

„begnadeter Vollpfosten“ ggü. Polizist  1.500 €
Amtsgericht Hattingen, 20.02.2012, 24 Cs 237/11

RA Kempgens, Stand 22.2.2022