OVG Münster 17.5.22:
Abwassergebühren rechtswidrig

Hammer-Urteil für alle Gebührenzahler (Vermieter / Mieter) aus Münster.

„Die Abwassergebührenkalkulation der Stadt Oer-Erkenschwick für das Jahr 2017 ist rechtswidrig, weil die konkrete Berechnung von kalkulatorischen Abschreibungen und Zinsen zu einem Gebührenaufkommen führt, das die Kosten der Anlagen über­schreitet.“, so das OVG Münster.

Auswirkungen hat das Urteil aber nicht nur für Oer-Erkenschwick, sondern auch FÜR ALLE ANDEREN STÄDTE UND GEMEINDEN, die ähnlich abgerechnet haben.

Was können Betroffene tun?

Empfänger der Gebührenbescheide sind grundsätzlich die Eigentümer der Grundstücke, nur die können auch Rechtsmittel einlegen. Also nicht die MieterEigentümer können nämlich grundsätzlich innerhalb 1 Monat nach Eingang Widerspruch gegen Bescheide einlegen.

Die Bescheid-Empfänger, die Widerspruch VOR Ablauf der Widerspruchsfrist eingelegt haben oder dies jetzt noch fristgerecht (Widerspruchsfrist beträgt 1 Monat ab Zugang des Bescheides) nachholen, profitieren direkt.

Die Allermeisten haben das aber nicht gemacht, so dass die Bescheide -eigentlich- längst bestandskräftig sind. Aber selbst die können noch etwas tun.

Denn: Auch die Rücknahme eines -eigentlich- bereits unanfechtbaren Bescheides ist rechtlich möglich (§ 130 AO), liegt aber im Ermessen der jeweiligen Behörde.

Sie können abwarten und sehen, wie Ihre Gemeinde mit dem Urteil des OVG umgeht. Sie können aber auch aktiv werden und Ansprüche gegen Ihre Gemeinde bereits anmelden, um auch zu dokumentieren, dass Sie Neuberechnung anstreben.

Wir empfehlen denjenigen Grundeigentümern (Privatpersonen, Gesellschaften), die auch für ihren Gebührenbereich von Rechtswidrigkeit ausgehen und jetzt ihre Ansprüche bereits dem Grunde nach anmelden wollen unter Verweis auf das Urteil Rücknahme des ursprünglichen Bescheides und Neuberechnung fordern.

 

Formulierungsbeispiel für Bescheid-Empfänger (das nicht die Mieter, sondern die Grundstückeigentümer!):
An
Stadt XY

Bescheid..

Sehr geehrte Damen und Herren,

gegen den obigen Bescheid lege ich nachträglich Widerspruch ein, soweit der Bescheid rechtswidrig und die Festsetzung zu hoch ist.

Ich berufe mich auf das aktuelle Urteil 9 A 1019/20 des OVG Münster vom 17. Mai 2022.

Soweit die hiesige Festsetzung nicht den Vorgaben des OVG entspricht, beantrage ich Rücknahme (§ 130 AO) und Neuberechnung.

MfG

 

Wie die Behörden reagieren werden, unklar. Es ist möglich, dass Gemeinden freiwillig zurückzahlen oder für die nächste Berechnung eine Gutschrift erteilen. Es kann aber auch sein, dass die Behörden sich auf verspäteten Widerspruch berufen.

Dagegen wäre dann Klage möglich. Verwaltungsgerichte können nämlich trotzdem eine Rückzahlung anordnen, wenn die Nichtrückzahlung aus Sicht des Gerichts ein Verstoß gegen Treu und Glauben, also rechtsmissbräuchlich wäre.

Ob die Verwaltungsgerichte so urteilen werden ist möglich. Rechtlich sind wir allerdings eher skeptisch.

Was können Mieter tun?

Mieter sind nicht Empfänger der Bescheide und können daher nicht selbst dagegen vorgehen. Sie sind aber betroffen, da Vermieter die Gebühren über die Nebenkostenabrechnungen an die Mieter weitergeben.

Mieter können daher ihre Vermieter anschreiben und auf die Problematik hinweisen. Wenn der aktuelle Gebührenbescheid für das eigene Wohnhaus aktuell noch nicht bestandskräftig ist (Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen), haben Mieter einen Anspruch darauf, dass der Vermieter sich -als mietvertragliche Nebenpflicht- darum kümmert und Widerspruch einlegt (denn nur der Vermieter kann das). Macht der Vermieter das nicht, haben die Mieter einen Schadenersatzanspruch in Höhe der nach dem neuen Urteil möglichen Einsparung.

Wenn die Widerspruchsfrist abgelaufen ist, haben Mieter haben dann einen Anspruch auf Rückerstattung, wenn die Städte -ggfls. auch auf Druck- eine Neuberechnung vornehmen (s. o.).

Achtung: Bei Widerspruchsverfahren können je nach Gemeinde Verwaltungskosten anfallen.

RA Kempgens, Stand 7.6.2022