Newsletter 23.6.2022: Welchen Zeitpuffer müssen Reisende bei Flugreiseneinplanen

 Fluggesellschaften empfehlen aktuell, 4 Stunden vor Abflug am Flughafen zu sein.

Sind Reisende safe, wenn sie das beachten?
Was passiert, wenn sie wegen Stau an Check-In oder Sicherheitskontrolle trotzdem ihren Flug verpassen?

Gibt es ein Recht / eine Pflicht zu drängeln?

Aktuelles Urteil gibt Flugreisenden mehr Sicherheit!

Jede/r Flugreisende muss grundsätzlich einen ausreichenden Zeitpuffer für Check-In und die Sicherheitskontrollen am Flughafen einkalkulieren. Dafür gibt es allerdings keine festen Zeiten, sondern es hängt ab vom Einzelfall (z. B.: Größe des Flughafen, Frequenz, Wochentag usw.; BGH, Beschluss vom 14.12.2017, III ZR 48/17). Angekündigte bzw. konkret drohende Überbelastungen müssen Reisende mitberücksichtigen.

Wie lange Fluggäste am Flughafen sein soll bzw. sich vor Boarding am Check-In Schalters anstellen sollten, ergibt sich aus Empfehlungen der Fluggesellschaft und Flughäfen. Aktuell wird teilweise ein Zeitfenster von 4 Stunden empfohlen.

Wer sich nachweislich daran hält, ist erst einmal safe. Verpassen Reisende dann ihren Flug wegen noch längerer, überlanger Wartezeiten an der Sicherheitskontrolle, haben sie Anspruch auf Erstattung der Ersatz-Flugkosten (OLG Frankfurt, Urteil vom 27.1.2022, 1 U 220/20).

Wer aber zu knapp vor Abflug die Sicherheitskontrolle aufsucht und dann zu spät zum Gate kommt, bekommt keine Entschädigung (OLG Frankfurt, Urteil vom 19.1.2017, 1 U 139/15). 90 Minuten Puffer an der Sicherheitskontrolle sind in der Regel eigentlich  ausreichend (OLG Frankfurt, Urteil vom 27.1.2022, 1 U 220/20), wegen der aktuellen Warnungen müssen Reisende jetzt aber zusätzliche Puffer einkalkulieren.

Bei Gerichtsprozessen ist der Anstellzeitpunkt oft sehr streitig.

Tipp: Am besten Foto (mit automatischem Zeitstempel) machen, wenn Sie sich anstellen.

Das ist nicht nur gut für das Familienalbum, sondern kann auch im Prozess sehr helfen.

Aber: Bemerken Reisende, dass es nur sehr langsam voran geht, müssen sie sich bemerkbar machen und auf ihr persönliches Zeitproblem hinweisen (AG Düsseldorf, Urteil vom 16.12.2014, 42 C 9584/14).

Tipp: Auch wenn es schwer fällt, bitte vordrängeln und Mitarbeiter aktiv ansprechen!

Tun sie das nicht, verlieren Reisende ihren Schadenersatzanspruch oder müssen sich zumindest Abzüge gefallen lassen.

Aber auch die Fluggesellschaften sind verpflichtet, Sonderaufrufe an den Check-Ins zu machen, wenn es eng wird.

Wer unverschuldet wegen zu langer Wartezeiten am Check-In einen Flug verpasst, hat Ansprüche gegen die jeweilige Fluggesellschaft.

Kommt es zu überlangen Wartezeiten an den Sicherheitskontrollen, haftet der Staat (Staatshaftung wegen eines sog. entschädigungspflichtigem Sonderopfer), weil es sich -unabhängig vom eingesetzten Unternehmen- um eine Maßnahme der Bundespolizei handelt (§ 4 Satz 1 BPolG, § 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 11 Abs. 1 LuftSiG).

Tipps:

Zeitempfehlung der Fluggesellschaft / Flughafen beachten.
Bei normalen Flügen aktuell 4 Stunden einplanen (sonst reichen i. d. R. 2 Stunden).
Dann zügig an der Sicherheitskontrolle anstellen.
Erinnerungsfotos schießen.
Hilfe suchen, wenn es eng wird.

RA Kempgens, Stand 23.6.2022