Das Amtsgericht Essen hat jetzt (12.4.2017) ein Bußgeldverfahren gegen eine von der Kanzlei Kempgens vertretene 26-jährige Autofahrerin aus Gelsenkirchen wegen eines Handyverstoßes eingestellt (AZ: AG Essen, 47 Owi – 43 Js 350 / 17 – 69/17).
In der Hauptverhandlung am 12.4. sah die Vorsitzende Richterin den von Polizisten am 28.10.2016 beobachteten Vorfall als nicht tatbestandlich an. Die Frau hatte nämlich das Handy in der Hand gehalten und parallel über ihre PKW-Freisprecheinrichtung gesprochen. Das reicht nicht, meint Rechtsanwalt Arndt Kempgens (Fachanwalt für Verkehrsrecht), da das Handy zwar in der Hand sei, aber nicht um damit zu telefonieren (s. OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.4.16, 4 Ss 212/16). Dieser Rechtsmeinung hat sich das Amtsgericht Essen in dem obigen Verfahren angeschlossen, die Mandantin muss kein Knöllchen zahlen und kriegt auch keinen Punkt in Flensburg.
Auch das Amtsgericht Gelsenkirchen hatte übrigens in einem Beschluss vom 26.1.2017 das Verfahren in einem ähnlich gelagerten Fall gegen eine gegen einen 37jährigen Autofahrer gemäß § 47 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz) komplett eingestellt.
Auch wenn Handy am Steuer gefährlich ist, hat sich in den vergangenen Jahren bei Gericht eine Vielzahl von interessanten Urteilen entwickelt. Hier einige Infos zu den Handy-Fälle, die zunehmend auch durch damit verbundene Geräte (z. B.: Apple Watch) spannend werden:
Grundsatz:
23 Abs. 1a StVO (Straßenverkehrsordnung) verbietet es, bei Führen eines Fahrzeugs ein Handy zu benutzen, wenn dieses dabei aufgenommen oder in der Hand gehalten wird.
Diese Vorschrift wird üblicherweise recht eng ausgelegt und kostet bei Verstoß 60 EURO und 1 Punkt in Flensburg.
Verboten ist alles, was irgendwie mit in die Hand nehmen und Nutzen -auch ohne Telefonieren- zu tun hat,
z.B.: Lesen von SMS, Fotografieren, Nutzung der Diktierfunktion, Nachsehen wer anruft, Abrufen von Daten, Verwendung als Navigationshilfe oder auch nur das Wegdrücken eines Anrufers (OLG Köln, Beschluss vom 9.2.2012, III-1 RBs 39/12).
Aber:
Erlaubt ist alles, was nicht mit Nutzung des Handys selbst während der Fahrt zu tun hat, z. B.:
– Telefonieren während Stopp-Phase einer Start-/Stopp-Automatik an der Ampel (OLG Hamm, Beschl. v. 09.09.2014 – 1 RBs 1714)
– das bloße Umlegen eines Handys innerhalb des Autos ohne Nutzung einer Funktion
– Telefonieren mit einer Smart Watch (z. B. Apple Watch) oder eine Handy-Uhr (Hentschel, StVO, § 23 Rn 32)
PS: Auch Fahrradfahrer dürfen kein Handy benutzen. Sie bekommen zwar keinen Punkt in Flensburg, müssen aber 25 EURO zahlen.
RA Kempgens 12.4.2017