Seit dem 1.7.2020 gilt die von 19% auf 16% gesenkte Mehrwertsteuer. Wie können Verbraucher davon profitieren?

Zunächst wichtig: Wann wurde der Vertrag geschlossen, VOR der Senkung (1.7.) oder DANACH?

1.

Bei Verträgen, die NACH der Senkung geschlossen wurden, gilt grundsätzlich, dass der Unternehmer die Senkung nach den Wünschen der Bundesregierung zwar weitergeben soll, aber nicht muss!

Daher: Verhandeln Sie mit dem Handwerker bzw. Anbieter.

Wenn der nicht bereit ist, die Mehrwertsteuersenkung weiterzugeben und sie stattdessen zu einer tatsächlichen Nettopreiserhöhung nutzt, sprechen Sie mit anderen Handwerkern / Anbietern.

2.

Bei Verträgen, die VOR der Senkung geschlossen wurden, jetzt aber erst ausgeführt werden, kommt es auf das Kleingedruckte an.

Denn: Für die Frage, ob der Unternehmer 16% oder 19% in die Abschlussrechnung schreiben muss, kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Vertragsschließung, sondern auf den Leistungszeitpunkt an, also Vollendung der Leistung.

Wenn also jetzt (bis zum 31.12.) eine Leistung vollendet wird, muss der Unternehmer nur 16% ausweisen und an das Finanzamt weiteregen.

Wer die Differenz zwischen 16% und 19% behalten darf (rechnerisch sind das übrigens nicht 3%, sondern 2,5% Prozent), hängt von dem VOR der Senkung geschlossenen Vertrag ab, also vom Kleingedruckten.

Es handelt sich also nicht um steuerrechtliche, sondern um vertragliche Rechtsfragen, die aber für den Verbraucher wichtige -finanzielle- Bedeutung hat.

Letztliche kommt es auf die vertragliche Vereinbarung bei Vertragsschluss an:

a)

Wenn im Vertrag „Nettopreis zuzüglich Mehrwertsteuer“ steht, muss der Unternehmer in jedem Falle die Senkung bei seiner Abschlussrechnung berücksichtigen, also abziehen.

b)

Oft werden in Verbraucherverträgen aber Bruttopreise (inklusive Mehrwertsteuer) vereinbart.

Wenn im Vertrag „Bruttopreis inklusive 19% Mehrwertsteuer“ steht, muss der Unternehmer die Senkung ebenfalls an den Kunden weitergeben, da die tatsächliche Mehrwertsteuer ja nun nicht mehr 19% ist. Er muss also ebenfalls die Abschlussrechnung reduzieren.

Argument: Der Bezug auf „gesetzliche Mehrwertsteuer von 19 %“ zeigt, dass der Endpreis gerade nicht generell losgelöst sein sollte vom konkreten Steuersatz (OLG München, Urteil vom 06. Oktober 2011 – 23 U 2140/11 –, zitiert nach juris). Rechnung muss angepasst werden (auch § 313 BGB).

Weiteres Argument: Die Erwähnung von 19% bei Vertragsschluss ist nur ein Hinweis auf den zum Abrechnungszeitpunkt geltenden Satz und daher bei der Endabrechnung auch anzupassen (OLG Celle 14. Zivilsenat, Urteil 19.03.1998, 14 U 248/95).

Wenn im Vertrag „Bruttopreis inklusive Mehrwertsteuer“ oder „inklusive der aktuellen Mehrwertsteuer“ steht, ist die Sache umstrittener.

Es gibt Rechtsmeinungen, die die Meinung vertreten, dass der Bruttopreis für den Kunden dann bei Erhöhung / Reduzierung der Mehrwertsteuer gleich bleibt, also keine Anpassung.

Ich meine aber, dass auch in diesen Fällen die aktuelle Mehrwertsteuer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (also 19%) Vertragsgrundlage ist und daher auch in diesen Fällen der Kunde und nicht der Unternehmer von der Senkung profitieren muss.

Also auch in diesen Fällen Senkung der Abschlussrechnung.

Dafür spricht auch die Zielrichtung der Bunderegierung:

Nicht der Unternehmer soll profitieren, sondern der Verbraucher.

Der Unternehmer soll ja grundsätzlich die Mehrwertsteuersenkung durch Reduzierung des Bruttopreises weitergeben.

Wenn der Unternehmer aber den Bruttopreis stehen lässt, führt das zu einer Nettopreiserhöhung.

Und das war nicht Sinn der Mehrwertsteuersenkung.

RA Kempgens, Stand 4.9.2020